Discofieber

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Von Heike Hiltrop, Wolfgang Wulf, Michael Rother

Das Discofieber glüht noch immer

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Für die Bad Segeberger Nachtschwärmer der 70er Jahre hatte es einen legendären Ruf: Jetzt wird das „Go-Go“ virtuell wiederbelebt.

Spiegelkugeln reflektie­ren das bunte Licht der Scheinwerfer. Abba singen „Waterloo“, die Bee Gees spielen „Stayin’ alive“. Über die Tanzfläche schweben Jungs mit ausladenden Arm­bewegungen in schwarzen Hemden mit steifem Spitzkra­gen - im Nacken hochgestellt. Ganz wie im Film „Saturday Night Fever“. Ganz wie Vor­bild John Travolta - „cool“ würden Jugendliche heute sa­gen. „Knorke, super oder dufte“ hieß es da­mals. Als die Discowelle vor über 30 Jahren in Deutschland erwachte, er­fasste sie eine ganze Generati­on: Geboren in den späten 50er- und in den 60-er Jahren.

„Es war dieses tolle Gefühl von Freiheit und Unbeschwertheit, dass uns er­fasst hatte“, sagt Dieter Buthmann. Dabei kommt er noch heute ins Schwärmen. „Alles drehte sich um Musik“, so sein Freund Michael Rother weiter.

Und wenn die beiden mit Gerhard Pohl zusammen­sitzen und die gemeinsame Sturm- und Drangzeit Revue passieren lassen, dann spielt die im Go-Go-Club in Bad Se­geberg. Wehmütig betrachten die Männer das überwucherte Grundstück in der Hambur­ger Straße Nummer 64. Dort stand einst der Go-Go-Club. Das Gebäude ist längst abge­rissen: „Da hinten war die Tanzfläche. Hier vorne war der Tresen. Die Frikadellen und das Mützchen (ein Schnaps) waren berühmt. Unser Platz war immer links vom DJ-Pult“, so die Männer, die beim Erzählen auf Büsche und Bäume zeigen. „Es war praktisch unser Zu­hause“, sagt Rother. Seit den 70ern seien sie dabei gewesen. „Das Go-Go kennt jeder hier in der Gegend, der zwischen 40 und 60 Jahren alt ist.“

Ob­wohl Bad Segeberg noch mehr Clubs zu bieten hatte, war das „Go“, wie alle die Dis­ko nannten, der Treffpunkt schlechthin. „Wegen seiner großen Tanzfläche“,

sagt Michael Rother. „Weißt du noch, wie wir den Wettbe­werb .schönstes Männerbein’ gewonnen haben . . .?“ Mit lächelnden Blick wendet er sich an seinen Freund Dieter Buthmann. Beide lachen: „Ja, den ersten Preis, eine Flasche Whisky, haben wir uns brü­derlich geteilt.“ Und dann folgt eine „ Weiß-du-noch-Geschichte“ auf die nächste. Da war die Sache mit dem Disco-fox: „Auf dem Klo habe ich dir die Schritte beigebracht. Das erzähle ich heute noch meinen Kindern“, sagt Rot­her.

Die Tanzstunde vor dem Pis­soir hat sich offenbar gelohnt: „Wir haben alle drei unsere zukünftigen Frauen im Go kennengelemt“, verrät Ger­hard Pohl, den es sogar aus Lü­beck nach Bad Segeberg ver­schlagen hatte, wegen seiner Freundin.

Die "Krönung" in den siebzigern die unvergessen bleibt, war der Auftritt der "Sweethearts", einer damals sehr bekannten Oben-ohne-Damen-Band aus England (das war echt der Knaller), desweiteren Live-Auftritte wie die von Marianne Rosenberg, Ka­rat (Über sieben Brücken) oder Amii Steward (Knock on Wood), nicht zu vergessen die legendären Pemod-Partys mit „DJ Vossi-Bär“. Der heißt mit bürgerlichem Namen übri­gens Uwe Voss und ist heute Kreisgeschäftsführer der CDU. „War ’ne schöne Zeit“, bringt Uwe Voss es auf den Punkt.

Rother, Buthmann und Pohl sind insofern immer noch nicht vom Disco-Fieber geheilt das sie gerne mit Ihren Frauen tanzen: Zweimal im Jahr organisieren sie Ehemaligen-Tanzveranstaltungen im Klüthseehof, "da es für unser Alter ja nichts mehr gibt!". Über 200 „alte“ Go-Go-Gänger sind stets da­bei. „Die Stimmung und die damit verbundenen Erinnerungen leben an diesem Abend von der Musik und den Ehemahligen GoGo Gästen“, sagt Rot­her und freut sich jetzt schon auf das nächste Ehemaligentreffen, wenn die guten alten Disco-Titel wieder gespielt werden. Für die die mehr möchten, hat Michael Rother das Go-Go virtuell zum Leben erweckt. Alte Fotos & Geschichten gibt es auf der Homepage www.discokult-segeberg.de zu sehen und nachzulesen. Seit kurzem gibt es auch eine „Community“ (über den But­ton „ehem.-treff “)die es Ehemahligen ermöglicht Freunde und Bekannte von damals wiederzufinden und mit ihnen zu kommunizieren: „Das ist ei­ne echte Herzensangelegen­heit von uns, dass sich dort vie­le eintragen und austauschen“, so Michael Rother, der mit seinen Freunden da­für sorgt, dass dieses Stück Se­geberger Disco/Musikkultur nicht in Vergessenheit gerät.

gogo-bilderschau20-44-19.jpg HD Bilderschau      Disco-Szene

Historie Vom Sängertreff zur Disco

Zwischen 1969 und 1991 tanzten sich einige Generationen im Go-Go-Club in der Hamburger Straße 64 die Sohle von den Schuhen. Das „Go-Go“, ein Teil der ehemaligen „Harmonie“, war Treffpunkt für die Jugend. Der 1763 gebaute Gasthof bekam bereits 1840 seinen Namen „Harmonie“. Seinerzeit trafen sich Männer aus Bad Segeberg regelmäßig dort, um gemeinsam zu singen. Die Segeberger Liedertafel wurde gegründet, das Lokal Lokal bekam seinen Namen Harmonie. Jahre später fanden im Garten der Harmonie die Spiele des Kindervogelschießens statt. Die Besitzer der Harmonie wechselten häufig. 1906 vernichtete ein Großfeuer das Lokal. Ein neuer, prächtiger Bau mit Saal entstand. Nach dem Ersten Weltkrieg kam die Bühne hinzu und mit ihr die Möglichkeit für Theatervorstellungen. Die Harmonie war beliebt, später auch als Lichtspielhaus. Im Herbst 1969 wurde es an die Firma Hinrichsen verkauft. Anschließend wurde aus dem Hotel ein Autoverkaufsgebäude(Volvo) und aus dem Lichtsiel-Theater die Tanzbar "Tigaiga". Das Tanzlokal hielt sich aber nicht lange. Am 19.12.1970 eröffnete dann unter der Leitung von H. Knüppel das Kino u. TanzCasino "GOGO". Zur Eröffnung gab es damals einen Film gratis zu sehen. Diese Kombination von Tanzlokal u. Kino konnte sich ebenfalls nur kurze Zeit finanziell über Wasser halten, nämlich bis zum Februar 1972 (zum Kukuk). Am 19.02.1972 übernahm dann Klaus u. Isa Domburg das "GOGO"und machten aus dem TanzCasino ganz zeitgemäß eine Disco. Ab Anfang der 80ziger wurde sie von dem ehem. Kellner Jürgen Hollmann betrieben. 1991 wurde das Go-Go geschlossen und wegen angeblicher nicht zu behebender Baumängel von dem inzwischen neuen Besitzer Möbel-Kraft abgerissen.

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1906 nach einem Großfeuer, wurde die „Harmonie“ wieder prächtig aufgebaut und bekam einen seperaten Saaleingang (re.) Foto: Kalkbergarchiv

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...Harmonie anfang der achziger. Foto: Kalkbergarchiv

ndr1nord19010.jpgstudio.jpg NDR 1 Radio-Interview